Samsarisches Rad 1 3 Daseinsmerkmale

Samsara - das Lebensrad, Bhavachakramudra  

Eine Abhandlung in mehreren Teilen über Samsara, Karma, Klesha, Wiedergeburt und Erwachen

 

Das alte indische Symbol des samsarischen Rades wurde von Buddha häufig erklärend in den Sand gezeichnet, wenn er auf den langen Wanderungen seinen Mönchen etwas über die Verstrickungen des Geistes und wie man diese durch Erkenntnis auflöst, begreiflich machen wollte. In der indischen Kultur und Philosophie ist diese Darstellung heute ganz verschwunden. Stattdessen finden wir das samsarische Rad neben der Eingangstür tibetischer Klöster. Dort erinnert es jeden an die Dynamik der Existenz, der den Altarraum betritt. Also gehen Mönche und Nonnen in den Lakhang (Altarraum) mit dem Bewusstsein,

dass die Suche nach Glück und das Vermeiden von Leid im weltlichen Leben, nicht die Erfüllung bringt, die wir erhoffen. 

In diesem Wissen lassen sie sich zur Puja und Meditation nieder, um die heilsamen Zustände des Geistes zu kultivieren: Ethische Haltung, Großzügigkeit, Geduld, Freude, Hingabe, Tatkraft, Sammlung, Weisheit.

Samsara wird von Lord Yama, dem Gott des Todes in den Klauen gehalten. Er erinnert uns an die Kontinuität von Leben, Sterben, Wiedergeburt und die Wirkung von Karma. 

 

Samsara entsteht indem wir ohne zu hinterfragen, unsere alltäglichen Erlebnisse und Empfindungen für die einzige Wirklichkeit halten und diese Täuschung nicht erkennen.

Dann erleben wir eine Welt voll einzelner, voneinander getrennter Dinge, von Subjekt und Objekt, von Ich und die Anderen. 

Das müssen wir auch, denn sonst bekommen wir keine Rechnung bezahlt, Kinder erzogen  oder Kaffee gekocht. Dennoch müssen wir unser Erleben immer wieder reflektieren und erkennen, wodurch es entsteht, wie wir unsere Haltung verändern können und wie flüchtig alles ist. Wo auch immer wir in Samsara verfangen sind, ist es von drei Merkmalen durchdrungen:

 

Die drei Daseinsmerkmale

 

Die 3 Daseinsmerkmale

 

anicca - die Vergänglichkeit

Alles ist in ständiger Veränderung und Bewegung, es gibt keine Konstante, alles ist Wandel. Glück und Leid sind temporär in der dualen Welt Samsaras. 

 

dukkha - die Unerfülltheit

Im gewöhnlichen Sprachgebrauch steht das Paliwort für Leiden, Kummer und Elend im Gegensatz zu Sukha, welches für Freude, Wohlbehagen und Glück steht.

Wir alle haben eine tiefe Sehnsucht nach Sinn, Erfüllung und Glück. Danach suchen wir in unserem Leben und haben immer wieder Ziele vor Augen, von denen wir glauben, dass wir erfüllter und glücklicher sind, wenn wir sie erreichen. Oft stimmt es, denn immer wieder gilt es unsere Ziele und den Lebensstil neu auszurichten und zu justieren, damit unser Leben für uns und andere angemessen ist. Suchen wir jedoch diese Sehnsucht in der äußeren Welt zu stillen, klappt es oft nicht, denn anicca-die Vergänglichkeit sorgt dafür, dass sich auch günstige Umstände immer wieder wandeln, oder als solche nicht erkannt und gewürdigt werden. 

Geboren werden ist dukkha, Altern, Krankheit, Schmerz und Tod sind dukkha, vom Lieben getrennt, mit Unliebem vereint ist dukkha. Es gehört also zu einem normalen Leben dazu. Daran können wir nichts ändern. Wohl aber können wir unser selbstgemachtes dukkha beeinflussen.

Ayya Khema sagte dazu kurz und bündig: 

 

Drei Wünsche führen zu allem Leiden der Welt: 

1. Ich will anders sein als ich bin.

2. Du sollst anders sein als du bist.

3. Die Welt soll anders sein als sie ist. 

Unsere Einstellung zu verändern ist oft ein gangbarer Weg um mehr sukha, Freude zu erleben.

 

anhata - Nicht - Ich 

Wir leben mit unserem ICH -Gefühl, das stetig unbewusst anwesend ist. Es wohnt in den Synapsen und schaltet sich bei jedem Schritt ein:

Wir sehen Grün - wissen um Gras - erkennen es als kühl, weich, feucht und unebenmäßig - nennen es Rasen oder Wiese.

Die Nerven funken zu den Füßen, in die Beine und Statik. Muskeln und Faszien stellen sich ein, laufen auf unebenem Boden. Signale kommen: Es ist feucht - kühl - weich- uneben -  Balance schaltet sich zu. Wir laufen auf Gras. Wie erfrischend- schwierig oder leichtfüßig es ist. Wir denken an Tante Erna, die Wäsche auf der Wiese bleichte und freuen uns des Lebens.

Oder aber; wir sind in ein Gespräch verwickelt und bemerken gar nicht, dass wir auf Gras laufen. Es ist ausgeblendet, denn der Fokus liegt auf dem synaptischen Tanz des Gespräches und auch hier wohnt zwischen jedem Steuerungsschritt das ICH Gefühl. Es ist immer dabei, zentrierend und komplex. Wir erleben uns und die Welt als voneinander getrennt als Ich und Du. Das wird die „relative Wirklichkeit„ genannt. 

 

Existenz ist ein fließender Prozess, wie ein Strom. Mal mit Wellenwucht aufgewühlt und mächtig, mal ruhig dahingleitend, still wie ein See oder ausgetrocknet. 

Weder in uns, noch in den Dingen oder Wesen dieser Welt ist etwas aus sich selbst heraus, unabhängig von anderen Faktoren existent, auch wenn es sich für uns anders anfühlt. 

Es gibt unendlich viele Bedingungen die dazu führen, dass Samsara sich gerade so ereignet und Niemand hat es im Griff, außer Yama.

In der tantrischen Sicht ist alles ineinander verwoben und aufeinander bezogen in einer Dynamik, die Sinn macht und einer Ordnung folgt. 

Diese Dynamik erklärt das samsarische Rad. 

Der „absoluten Wahrheit“ nähren wir uns, wenn wir klar und differenziert dieser Verwobenheit gewahr sind, mit unserem Geist, unserem Verstand und mit jeder Zelle unseres Körpers. Die nannte Ayya Khema „erkennendes Erleben“.

Die Narbe des Rades: Schwein/Verblendung, Schlange/Gier, Hahn/Hass

Das Schwein ist die grundlegende Täuschung oder Unwissenheit, avidya

Die Schlange steht für die Gier, Raga

Der Hahn symbolisiert den Hass, dvesha

Diese drei sind die Grund-Kleshas welche uns aufwühlen und umtreiben.

 

Das Hauptgift ist avidya, die Unwissenheit hier dargestellt als Schwein. Vieles kriegen wir einfach nicht mit, wir merken nicht was geschieht und haben falsche Vorstellungen, die wir für die Realität halten. Auch unsere Meinungen und Glaubenssätze verengen unsere Sicht. Dann wundern wir uns, wenn das Leben anders mit uns spielt als wir erhoffen und reagieren mit den beiden anderen Giften: Gier und Hass, oder mit; haben wollen und ablehnen. Diese Spielart von Gier und Hass hat unendlich viele Varianten:

Wut, Ärger, Groll, Eifersucht, Zweifel, Stolz, Arroganz, Leidenschaft, Dumpfheit, Wiederstand, Schuldzuweisung, dicht machen, Depressionen, Burn Out und Ängste und alle Arten aufgewühlter Emotionen.

Wir wissen nicht, dass alles miteinander vernetzt ist, dass sich alles gegenseitig bedingt, dass alles fluide, imateriell und ohne Dauer und Konsistenz ist. Stattdessen erleben wir dual ein Subjekt und ein Objekt. Wir meinen, Dinge zu brauchen, die unser Ich schützen und fördern. Das führt zu Gier Raga. Und wir wehren alles ab, was uns zu schwächen scheint; der Hass dvesa ist geboren. Beide entstehen aus avidya, der Unwissenheit heraus.

 

Meist wird die Rad-Narbe so dargestellt, dass Schwein, Schlange und Hahn sich gegenseitig in den Schwanz beißen und damit einen Kreis bilden, aber gelegentlich findet man die richtige Darstellung: die gierige Schlange und der abwehrende Hahn entspringen dem Maul des unwissenden Schweines.